KI ist nicht der Feind des kritischen Denkens. Schlechte Bildung ist es.
Vor ein paar Tagen las ich Jessica Grose’ Kolumne in der New York Times mit dem Titel „A.I. Will Destroy Critical Thinking in K–12“. Was für ein Titel! Ich kann die Lektüre sehr empfehlen. Was mir besonders im Kopf blieb, war eine alttägliche Szene, die Grose treffend beschreibt: Ein Auto voller SchülerInnen, die über Lehrkräfte lästern. Dann fällt ein höhnischer Kommentar: „Ich wette, sie benutzten KI, um unsere Arbeiten zu korrigieren.“
Egal ob das stimmte oder nicht: es sagte alles. Selbst SiebtklässlerInnen spüren bereits, worum es geht: dass KI vielleicht weniger persönliche Zuwendung, weniger Vertrauen, mehr Abkürzungen bedeutet.
Aber halten wir kurz inne: Stellt AI wirklich die grosse, alleinige Gefahr für kritisches Denken dar? Ich glaube kaum. KI ist nicht der Feind des Denkens. Schlechte Bildung ist es. Wenn wir kluge Instrumente mit menschlicher Weisheit verbinden, können wir Klassenzimmer schaffen, in denen kritisches Denken nicht nur überlebt – sondern aufblüht.
Die eigentliche Gefahr? Wie wir KI nutzen.
Die Gefahr ist nicht die KI an sich, sondern wie wir sie nutzen. Deshalb braucht jedes Klassenzimmer zwei Dinge: Anleitung, im richtigen Umgang mit KI – und Weisheit, um menschliche Beziehungen und Lernkompetenzen im Mittelpunkt zu halten. Ich habe enduri, eine Lernplattform, genau aus diesen zwei Überzeugungen gegründet. Erstens: Digitale Instrumente sollen menschliche Interaktionen unterstützen, nicht ersetzen. Zweitens: Lernfähigkeiten wie kritisches Denken sind keine angeborenen Talente. Sie sind trainierbare Fähigkeiten. Wie Muskeln. Dafür braucht es Strategie, Coaching, Reflexion – und ja, produktives Ringen. No pain, no brain gain.
Der folgende Artikel beleuchtet:
- Welche Orientierung Schulen beim Umgang mit KI brauchen.
- Was an KI ausgelagert werden kann – und was nicht.
- Warum menschliche Verbindung (mehr denn je) zählt.
- Wie KI das Denken herausfordert – und wie Plattformen wie enduri daraus eine Chance machen.
- Warum „Lernen lernen“ und Plattformen wie enduri heute unverzichtbar sind.

Die Gefahr ist nicht die KI an sich,
sondern wie wir sie nutzen.
KI in der Schule: Orientierung dringend gebraucht
Was gilt als Schummeln?
Seien wir ehrlich: KI war in den Klassenzimmern, bevor jemand wirklich wusste, was man damit anfangen soll. 2024 nutzten zwei Drittel der Lehrkräfte in den USA bereits generative KI-Tools wie ChatGPT – aber weniger als 10 % der Schulen hatten klare Regeln [2]. Weltweit fand eine UNESCO-Studie heraus: Die meisten Institutionen haben überhaupt keine offiziellen KI-Richtlinien [3].
Dieses „Wild-West“-Szenario lässt alle – Lehrkräfte, Eltern, SchülerInnen – im Unklaren. Dürfen SchülerInnen ChatGPT für Hausaufgaben nutzen? Wie erkennt man KI-generierte Texte? Was gilt als Betrug? Und noch wichtiger: Wie schützen wir Daten, Privatsphäre und Vertrauen?
Klarheit statt Verbot
Eltern stellen sich dieselben Fragen. Laut einer Umfrage des Weltwirtschaftsforums würden 81 % der Eltern und 72 % der SchülerInnen schulweite Leitlinien zum verantwortungsvollen KI-Einsatz begrüßen [3]. Sie wollen kein Verbot. Sie wollen Klarheit. Einige Regierungen und NGOs haben reagiert. Die UNESCO veröffentlichte 2023 globale Empfehlungen zu Lehrkräfte-Weiterbildungen und Transparenz [4]. Südkorea, Japan und die EU arbeiten an nationalen Strategien. Die EU stuft KI-Systeme im Bildungsbereich als „hochrisikorelevant“ ein, mit strenger Regulierung [5].
Trotzdem hinken viele Schulen hinterher. Ohne klare, altersgerechte Leitlinien entstehen Systeme, die SchülerInnen verwirren, Lehrkräfte überfordern und Ungleichheit verstärken.
Was sollte KI tun – und was nicht?
KI kann kein pädagogisches Urteilsvermögen ersetzen
Wie entscheiden wir also, was KI in der Schule übernehmen darf? Die Antwort: KI ist großartig in Wiederholung – und miserabel in Urteilsfähigkeit. Lassen wir KI-Routinen übernehmen: Grammatikprüfungen, Matheübungen, Quiz-Erstellung. Studien zeigen: Lehrkräfte werden dadurch entlasten und SchülerInnen erhalten sofortiges Feedback [6].
Aber wir sollten nicht erwarten, dass KI-Kreativität bewertet, emotionale Feinheiten erkennt oder versteht, was eine SchülerIn ausmacht. Selbst gut trainierte Systeme „halluzinieren“ häufig – und liefern falsche, aber überzeugende Antworten [1]. Und: KI kann Vorurteile aus Trainingsdaten übernehmen und benachteiligte SchülerInnen diskriminieren [7].
Klartext: KI kann kein menschliches Urteil ersetzen. Sie erkennt nicht, wenn ein Kind eine schlechte Nacht hatte oder emotionale Unterstützung braucht. Sie kann nicht inspirieren, nicht mitfühlen, kein Vertrauen aufbauen.
Warum wir den Menschen im Zentrum brauchen
Bildung basiert auf Beziehung
Grose brachte es treffend auf den Punkt: Wenn SchülerInnen das Gefühl haben, ihre Arbeit wird von Maschinen statt von Menschen bearbeitet, verlieren sie Vertrauen in den Lernprozess [1].
Bildung lebt von Beziehungen – zwischen Lehrkräften und SchülerInnen, zwischen Lernenden und untereinander, zwischen Peers und ihren MentorInnen. Studien zeigen: Starke Lehrkraft-SchülerInnen-Beziehungen fördern Motivation, Leistung und soziale Entwicklung [8]. Besonders in der Unter- und Mittelstufe brauchen Kinder Erwachsene, die sie sehen, hören und wirklich verstehen. Eine globale Umfrage von 2024 bestätigt die Wichtigkeit von Beziehungen in Lernprozessen: 73 % der SchülerInnen und 72 % der Lehrkräfte glauben, dass KI nie die menschliche Rolle im Klassenzimmer ersetzen wird [9]. Das ist kein romantisches Wunschdenken – das ist gesunder Menschenverstand.
Hilft KI beim Denken – oder schadet sie?
Die feine Grenze zwischen Hilfe und Abhängigkeit
Zur Kernfrage von Grose: Schwächt KI die Fähigkeit, selbst zu denken?
Wenn sie passiv genutzt wird – absolut. In einer Studie von 2025 schnitten SchülerInnen, die KI zur Prüfungsvorbereitung nutzten, bei Übungsaufgaben besser ab – aber beim echten Test (ohne KI) schlechter. Warum? Sie hatten nicht gelernt, sondern sich auf das Tool verlassen [10].
Das ist das eigentliche Risiko: SchülerInnen werden abhängig von Werkzeugen, die Antworten liefern – statt zu lernen, bessere Fragen zu stellen. Grose nennt das: „Oberflächenperfektionismus ohne die nötigen Werkzeuge und das Durchhaltevermögen für echtes kritisches Denken“ [1].
Aber es gibt Hoffnung: Aktiv eingesetzt, kann KI das Denken schärfen. SchülerInnen können KI-Antworten hinterfragen, Alternativen vergleichen, Argumente testen und über ihr Denken reflektieren. Dafür brauchen sie Anleitung, Strategien – und Lernkompetenz. Genau das haben wir in enduri eingebaut.

KI als Sparring-Partner fürs Denken
Wie enduri mit KI umgeht
Anstelle von Inhalten: Lernstrategien
enduri ist eine Lernplattform für Kinder zwischen 9 und 12 – eine Altersgruppe, die ich das „goldene Fenster“ fürs “Lernen lernen” nenne. In diesem Alter sind Kinder offen für Selbstreflexion und Planung, aber noch neugierig und unvoreingenommen – und noch nicht vom Bildschirm-KI-Tsunami überrollt. Der perfekte Zeitpunkt, um Gewohnheiten wie Fragenstellen, Zielsetzung und kritisches Denken zu trainieren [11].
Anstelle von KI: Fähigkeiten für den Umgang mit KI
enduri ist kein KI-Tool. Es ist das Instrument, mit dem SchülerInnen den Umgang mit KI lernen – selbst die Kontrolle behalten, statt gesteuert zu werden. Statt vorgefertigter Inhalte, vermittelt enduri Lernstrategien: Zusammenfassen, Planen, Reflektieren. Alles basiert auf menschlichem Denken, gestützt durch digitale Strukturen. Kooperation, Kommunikation, Kreativität und kritisches Denken stehen im Zentrum. Nach jeder Einheit reflektieren die SchülerInnen: Was hat funktioniert? Was nicht? Was könnte ich nächstes Mal versuchen?
Lehrkräfte erhalten Zugriff auf die Lernprofile ihrer SchülerInnen, Fortschritts-Dashboards und Coaching-Vorlagen. SchülerInnen bekommen persönliche Strategie-Tipps – keine KI-Kurzfassungen, sondern echtes Feedback, Metakognition und Wachstum. Der Name enduri stammt von „Endurance“. Es ist lernstrategisches Durchhalte-Training, verpackt in einem inklusiven, spielerischen und farbenfrohen Format.
Und ja – es gibt auch enduRO, einen freundlichen KI-Assistenten, der Texte vorliest, einfache Fragen beantwortet und kleine Motivationsschübe gibt. Er spart Zeit und hilft. Aber das Denken? Ist und bleibt Sacher der SchülerInnen. enduRO nimmt die Funktion eines Trampolins ein: Es gibt Schwung – aber springen muss der Lernende selbst.
Warum wir Lernplattformen weiterhin brauchen
KI liefert Inhalte – aber kein Lernen
Doch brauchen wir in einer KI-getriebenen Welt noch Plattformen wie enduri? Ja. Mehr denn je.
Denn KI liefert Inhalte – aber kein Lernen. Lernen braucht Mühe, Strategie, Begleitung und Struktur. Genau das lehrt enduri – sichtbar, trainierbar, nachhaltig. Wir brauchen nicht mehr Antworten. Wir brauchen bessere Lernstrategien, damit SchülerInnen kritische Fragen stellen. Und wenn wir das früh lehren und lernen – besonders zwischen 9 und 12 – entsteht daraus ein Denkstil, der bleibt.
KI ist eine riesige Herausforderung für Lehrkräfte, Eltern und SchülerInnen. Aber jede Herausforderung birgt auch Chancen. Begegnen wir ihr mit Klarheit und Respekt – nicht mit Angst.
Quellen
- Jessica Grose, “A.I. Will Destroy Critical Thinking in K-12,” The New York Times, May 14, 2025. Link
- Micah Ward, “Teachers love AI, but they need more guidance from schools,” District Administration, 2023. Link
- Hadi Partovi & Pat Yongpradit, “AI and education: Kids need AI guidance in school. But who guides the schools?” World Economic Forum, Jan 18, 2024. Link
- UNESCO, “Guidance for generative AI in education and research,” Sept 2023. Link
- European Commission, “Artificial Intelligence Act – Proposal,” 2023. Link
- Shallon Silvestrone & Jillian Rubman, “AI-Assisted Grading: A Magic Wand or a Pandora’s Box?” MIT Sloan EdTech, May 9, 2024. Link
- Jill Barshay, “University students offload critical thinking to AI,” Hechinger Report, May 19, 2025. Link
- “6 Things Teachers Do That AI Just Can’t,” Education Week, Aug 31, 2023. Link
- Copyleaks, “Bridging the Gap: AI Adoption in Education,” 2024. Link
- Karatas, C. et al., “Generative AI and Student Learning Outcomes,” University of Pennsylvania, 2025. Link
- Christa Wüthrich, “Learning Strategies: Why Timing Is Everything,” enduri Blog, 2025. Link